Gründerzeit

Aus der Gründerzeit des berühmten FCK-G
(geschrieben von Herbert Lafery, 19.10.2000)

Ich möchte mit einem Zitat beginnen. Anläßlich meines 40. Geburtstages, also vor 24 Jahren hielt unser erster Präsident, Helmut Müller, eine Rede. Sie liegt als Tonbandaufzeichnung vor. Hier ein kleiner Auszug:

„62,63 und 64 begannen wir während der Montage und Bauzeit gemeinsam mit Montage- und Bauarbeitern einen Fasching aufzuziegeln, mit gutem Erfolg. Im Jahr 1968, das Kraftwerk war bereits einige Jahre in Betrieb, nahmen wir uns vor, daß wir den sogenannten großen Fasching wieder für den Betrieb des Kernkraftwerkes Rheinsberg auf die Bühne bringen. 68, am 08.11.1968, es jährte sich bereits in diesem Jahr zum 10.mal. Am 08.11.1976 sind wir in die 10-jährige Saison hineingegangen.“

Mit diesem Zitat will ich nachweisen, daß wir  die Gründung unseres 11-errates mit der ersten Faschingssaison in Rheinsberg gleichsetzten. Unsere Faschingswurzeln stammen eindeutig aus Rheinsberg. Auch wenn wir später die Greifswalderzeit gesondert betrachteten. 2 meiner Orden von 1976 und 1977 zum 10. können diese Aussage bestätigen.

Ich möchte damit nachgewiesen haben: Der RCC und der FCK sind nicht nur befreundete Vereine sondern Brudervereine!!

Und darauf ein dreifaches „Greif Helau“

Nun einiges zur Gründerzeit des Faschings: In der Mitte der 60-er Jahre waren die Gründer des Faschings junge, fähige Arbeiter und Ingenieure, die mit wachen Sinnen die Entwicklung in der Welt verfolgten. Um mit den Worten des Soziologen Wolfgang Engler in seinem Buch „Die Ostdeutschen, Kunde von einem verlorenen Land“, zu sprechen, waren wir „...besonders unter dem Eindruck der politischen Auseinandersetzungen im Westen der Meinung, an einem weltweiten Aufbruch hin zu einem geläuterten und modernisierten Sozialismus beteiligt zu sein. “Wir lebten und arbeiteten zu einem Zeitpunkt, als sich im Westen die 68-Bewegung entwickelte und schließlich in die Massenbewegung überging, von der wir heute sprechen. Wir waren nicht, wie Engler meint ein Haufen von gammelnden Langhaardackeln, die nichts weiter im Kopf hatten, als Sex, Saufen, Pop und Beat. Ja, wir verehrten die Musik der Beatles und waren aufgeschlossen für neue Formen der Kunst und wir fummelten unter den Röcken, wie’s sich gehört, aber wir betrachteten diese Genres als notwendig, um uns, die etwa 30-jährigen und die Jugend, zu der wir uns noch zählten, für neue große Taten zu befähigen. Wir waren Teufelskerle, die glaubten für die kommende Einheit Deutschlands und für den Weltfrieden zu arbeiten. Diese Werte waren damals trotz Mauer noch hoch im Kurs.

Wir arbeiteten unter Bedingungen, lösten Probleme , die heute unvorstellbar sind:

"Was? Die gelieferten Schwimmer für die Höhenstandsmessung passen nicht?" Kein Problem! Werden berechnet, gezeichnet  und von den Kumpels des Montagebetriebes angefertigt.

"Was? Die Projektierung für die Anlage ist Mist? Die Anlage kann man so nicht bedienen? Wenn, dann nur im Liegen?"  Kein Problem! Ihr liebe Freunde vom Montagebetrieb seid doch Facharbeiter! Hier ist das Rohrleitungsschaltbild, danach baut Ihr so, daß man ordentlich bedienen kann, ich erledige für Euch die ein wenig komplizierte technologische Vorbereitung. Wir bekommen sonst das erste Kernkraftwerk Deutschlands nicht termingemäß in Betrieb. Unsere Arbeit war harter Streß, und als aktive Mitglieder der Jugendorganisation schafften Helmut Müller und ich Voraussetzungen für unsere eigene Entspannung und die der KKW-Mitarbeiter und der Montagebetriebe.

Wir hatten entscheidenden Anteil an der ververmutlich ersten Disko in Deutschland, die wir schlicht – „Tanz nach Tonband“ nannten und gründeten ein tolles Kabarett. Fasching war unsere 3. Säule die Massen zu unterhalten. Von 0,50 Mark Eintrittspreis für den „Tanz nach Tonband“ finanzierten wir nicht nur die auf Teilzahlung gekaufte Tontechnik, sondern erkauften uns für hohe Spendenabführungen an die Leitung der Jugendorganisation eine solche Sympathie bei der Obrigkeit, daß Kritik an uns von oben ausgeschaltet wurde. Das Kulturhaus in Rheinsberg war immer knackvoll, wenn unsere Veranstaltungen liefen.

Natürlich hielten wir uns nicht an die Norm 60% DDR-Musik und maximal 40% aus dem Westen. Unsere Musik war von den Sendern Freies Berlin oder Rias aufgenommen, die man in Rheinsberg ausgezeichnet empfangen konnte.Kamen die Kontrolleure der AWA in den Saal, bekamen die weder etwas zu trinken noch zu essen. Die Kellnerinnen waren natürlich viel zu beschäftigt. Das eine lizensierte Band wurde angeschmissen und die Knaben verließen sehr schnell wieder unsere heiligen Hallen, begleitet von unauffälligen Schatten, die prüften, ob die Burschen auch tatsächlich verschwanden. Schon wackelten wieder die Wände von der Musik, die uns paßte.

In dieser schöpferischen Zeit entstand unser Fasching.Helmut Müller und ich waren gute Freunde. Als Bauleiter hatten wir uns schon zu einem tollen Team gemausert und schließlich waren wir mit Begeisterung dabei, das Kernkraftwerk auf den Betrieb vorzubereiten. Es war logisch für mich als Jugendsekretär Helmut für die Faschingsidee zu gewinnen, denn er war schon Erfahrungsträger aus unserer gemeinsamen Studienzeit. Er diente als Hofnarr im Elferrat unserer Ingenieurschule. Wer sollte diese Aufgabe wohl besser lösen können? Helmut stürzte sich in den Kampf, um Mitstreiter zu gewinnen, und Geld locker zu machen. Er fand tolle Unterstützung beim Direktor für Geld, Roland Dubrow, der als erklärter Faschingsmuffel nie eine unserer Faschingsveranstaltungen besuchte. Dank sei Roland, denn ohne Roland Dubrow hätte es sicher nie einen Fasching im Kernwerk gegeben. Und das weder in Rheinsberg, noch in Greifswald.

Die ersten Mitstreiter und Minister, die auch in Greifswald wieder aktiv mitmachten, waren: Gerd Baumberger, Reiner Vtelensky und Heinz Kade. Diejenigen, die in Rheinsberg weiterkämpften werden hier nicht erwähnt. Helmut gebührt der Ruhm, aus dem Fasching das gemacht zu haben, was er noch heute, nach nunmehr 30 Jahren ist. Die Art unserer Veranstaltungen läßt sich mit dem, was nahmhafte Vereine in den Traditionsgebieten des Karnevals tun, nicht auf einen Nenner bringen. Was man im Fernsehen aus diesen Regionen sieht, ist bis auf einzelne Beiträge stinklangweilig. Aus unserem Fasching läßt sich heute noch unser Verhältnis untereinander ablesen, daß wir Mitte der 60-er entwickelten: Es gibt keine weisen Uhus. Alle ziehen für das erstrebenswerte Ziel als feste Gemeinschaft an einem Strang. Wir kennen keinen Dünkel und keine Überheblichkeit. Ein jedes Mitglied des Elferrates hat eine einheitlich gewichtete Stimme im Rat und nicht Herkunft und Geldbeutel haben Einfluß auf Entscheidungen. Es bleibt festzustellen, daß unser Fasching nach wie vor eine schöpferische Symbiose unserer Vorstellungen aus den 60-er Jahren von Kabarett und Karneval ist. Den Begriff „Fasching“ haben wir entsprechend der Vorstellungen der Obrigkeit übernommen. Was soll’s meinte Helmut, Name ist Schall und Rauch. Das bemerkenswerte am FCK – G ist, daß ganz durchschnittliche junge Menschen, wie Du und ich, ohne große Vorbereitung befähigt werden, schauspielerische und rethorische Talente zu entwickeln, vor Publikum  aufzutreten und zu singen wie Heidelerchen, daß es eine Freude ist. Normalerweise sind solche Leistungen nur nach langer Ausbildung möglich. Wir bringen sie live, nach ein oder 2 Proben! Alle Aktiven die je im FCK – G als Mitwirkende beteiligt waren, haben Hemmungen abgebaut, die jeder ohne entsprechende Erfahrung mitbringt, wenn Sie oder Er  in der Öffentlichkeit auftreten oder einfach mit Menschen umgehen soll. Wir danken Helmut Müller auch für diese Lebensschule, denn der Fasching befähigte uns besser mit unseren Aufgaben fertig zu werden. Wer kann schon von sich sagen, daß Sie oder Er  ohne Hemmungen vor hunderten Menschen sprechen, singen oder einfach schauspielern kann?

Seit  unserer ersten Faschingsveranstaltung besteht ein wesentlicher Teil der Aussagen des Programs aus oft schonungsloser offener oder auch vor 1990 aus teilweise versteckter Kritik, die alle Eingeweihten verstanden, nur die prüfende Obrigkeit nicht. Dabei scheuten wir uns auch nicht, auf der Bühne Dinge zu sagen, die im genehmigten Text ganz anders aussahen. Natürlich haben wir auch oft harte Nackenschläge hinnehmen müssen, teilweise ob der Blödheit der Textprüfer trotzdem grinsend, obwohl wir wie die Bierkutscher fluchten, daß große Teile der Saal und Bühnendekoration umzugestalten waren.

Was sollte man schon zu Leuten sagen, die kritisierten, daß wir in unserem Programm Indianer als „Rote Brüder“ bezeichneten. Das war um so lächerlicher, weil wir im Programm Dinge versteckt hatten, die uns zu der Frage anregten: „Ob’s denn wohl einer merkt?“ Sparen wir uns weitere Detaills, die Rede würde sonst zu lang.

In diesem Beitrag möchte ich nicht auf die vielen Aktiven eingehen, auf den Elferrat selbst, auf die Ordnungstruppe, auf Redner, talentierte Darsteller besonderer Figuren vom Kielschwein über den Löwen bis zu Arthur dem Engel, den talentierten Büttenrednern bis zu den Indianern. Für alle gilt, was ich schon über unsere Beziehungen untereinander und unser gemeinsames Kernwerk gesagt habe.

Ein Wort aber zu denjenigen, ohne die der Fasching in Greifswald nicht zu dem geworden wäre, was er heute ist. Es ist zunächst dankbar zu nennen, die Schar unserer Schirmherren, an erster Stelle natürlich Richard Fischer, die durch ihre eigene Mitwirkung und ihren Einfluß den Fasching nach oben abschirmten und den Angriffen auf den Elferrat  die Schärfe nahmen. In einem Atemzug mit ihnen Klaus Pohlmann, der dem Elferrat alle nur denkbare Unterstützung gab und als Gewerkschaftt für unsere angeblichen Fehler oft genug seine Haut zu Markte tragen mußte.

Es sind zu nennen die vielen Helfer aus Greifswald, an erster Stelle die Kollegen vom Theater. Karl Rhode, Hanning Danckert, Kurt Bösel und die Kostümexperten aus dem Fundus.

Die Druckerei Panzig, die fleißig Eintrittskarten druckte, auch immer ein paar mehr für den eigenen Bedarf und viele weitere dienstbare Geister.

Jedenfalls waren unsere Faschingsveranstaltungen das Greifswalder Kulturereignis, und wenn ich auch keine Orden und Ehrenzeichen aus den Jahren vor 1990 mehr besitze, ein Dokument halte ich in Ehren, nämlich meine Auszeichnung als Aktivist für hervorragende Kulturarbeit, sprich Fasching anläßlich der Feier zum 10-jährigen 1982.

Wir organisierten zunächst eine Veranstaltung, dann 2, dann 3 und zuletzt 5 plus ein Kinderfasching. Zu jeder Veranstaltung drängten sich noch die Greifswalder Fans vor den Türen des Kulturhauses, um doch noch am Fasching teilhaben zu können und gegen einen Obulus für den 11-errat ließ sich schon einiges machen. Streit gab es bei unseren Veranstaltungen kaum. Wenn, dann als große Ausnahme. Wir hatten die Massen im Griff und immerhin befanden sich wohl maximal nach unseren Schätzungen bis zu 1000 Menschen im Kulturhaus.

Ich glaube, daß ich nun lange nicht alles, aber sicherlich einige interessante Detaills über unseren Fasching gesagt habe, aber immerhin muß ja für den 40. Jahrestag auch noch etwas übrig bleiben.

Und darauf Greif Helau